So war ich auch sehr erfreut, als ich gefragt wurde, ob ich nicht spontan an einer Kreuzfahrt in Richtung Åbo (Finnland) teilnehmen wollen würde. Klar würde ich wollen. Und sowohl wollen als auch tun tat ich dann auch. Und schon sind wir wieder bei einer Eigentümlichkeit der Schweden. Ich für meinen Teil verreise ja für gewöhnlich gerne mit einem Ziel, getreu dem alten Muster: Hinreise -> Ziel -> Rückreise. Nicht so die Schweden. Ihnen reicht die seltsame Kombination: Hinreise -> Rückreise. Wo da das Ziel bleibt? Wie man so schön sagt: ”Der Weg ist das Ziel”. In Deutschland würde man eine solche Fahrt ”Butterfahrt” nennen, wobei mir auf der schwedischen Variante nicht ein einziges Stück Butter unterkam. Der Schwede an sich – egal welchen Alters – nutzt nämlich diese Fahrt nicht zur Versorgung mit aus Milchrahm hergestelltem Streichfett, sondern eher, um den steuerfreien Spirituosenladen gründlich leerzukaufen. Bei den in Schweden üblichen Getränkepreisen durchaus verständlich, für deutsche Verhältnisse aber immer noch reichlich teuer. Auch für Einwohner von Ländern mit weniger rigoroser Steuerpolitik interessant ist jedoch das schiffseigene Showtheater, in dem sowohl eine Musical-Show als auch zwei Livebands das Publikum gekonnt zu unterhalten wissen. Ganz zu schweigen von der anheimelnden Atmosphäre, die durch die an ein edles Varieté angelehnte Möblierung erreicht wird. Alleine das war die Umgerechnet 10 Euro für Fahrt incl. Übernachtung in der luxuriösen Kabine mit Flachbildfernseher wert.
Weniger schön war dann allerdings der Anblick einiger schwedischer Rentner am Morgen, die das Frühstücksbrötchen gekonnt mit doppeltem Cognac runterspülten. Auch hier wieder Seltsames: Im Frühstückscafé konnte man zwar zwischen diversen Spirituosen zum Frühstücksmenü wählen, Milch gab es jedoch nicht.
Notiz an mich: Die nächste Kreuzfahrt bitte mit einem Ziel, an dem ich auch an Land gehen kann. Oh, schrieb ich gerade nächste Kreuzfahrt? Die nächste Kreuzfahrt ging anderthalb Wochen später nach Riga. Diesmal war es keine Rentner-Cognac-Fahrt, sondern eine in Zusammenarbeit mit der Uni organisierte ”International Student Cruise” mit Studenten aus Stockholm, Kopenhagen, Karlstad und einigen anderen skandinavischen Universitäten. Wie bei solchen Veranstaltungen leider üblich, waren die 1100 Mitreisenden fast ausschließlich Austauschstudenten, was dafür sorgte, dass mal wieder die englische Sprache ihre Dominanz bewies. Schade eigentlich. Hier durfte ich feststellen, warum die ganze Sache so kostengünstig war. Hättet ihr geahnt, dass es UNTER den beiden Autodecks noch ein Deck gibt? Ich gehe davon aus, dass man einfach nur die Ruderbänke gegen bettähnliche Konstruktionen ausgetauscht hat, denn von Luxus oder gar Sauberkeit war hier nichts zu spüren. Also ehrlich, meine Erwartungen waren ja nicht sonderlich hoch, aber DAS war wirklich albern. Zumindest die Toilette hätte man wenigstens abwischen können, wenn man schon nicht richtig putzt. Zumindest das Bett war bequemer als mein Wohnheimsbett, was aber auch nur bedeutet, dass mich in diesen 2 Nächten keine Metallfedern in den Rücken pieksten. Interessant hingegen war der Umstand, dass ich auch bei geschlossener Tür auf den Gang sehen, zumindest aber das Licht aus dem Gang sehen konnte, denn die Tür war oben und unten dermaßen verbogen, dass sie nur direkt am Schloss überhaupt noch an der Türzarge anlag.
Nichtsdestotrotz ist Riga definitiv eine Reise wert. Das Stadtbild ist – zumindest in der Innenstadt – geprägt von prachtvollen Jugendstilbauten auf der einen und mittelalterlicher Altstadt auf der anderen Seite. Die touristische Saison war allerdings offensichtlich schon vorbei, sodass die Stadt bis auf 1100 übernächtigte Studenten mit mehr Rändern als Augen nahezu menschenleer war. Mein Genussmenschenherz durfte sich dann allerdings in der Taverne zum alten Bernsteinweg an einheimischen Köstlichkeiten und einem großen Krug Bernstein-Starkbier erfreuen. Eine hervorragende Entschädigung für nächtliche Ruhestörung durch auf dem Flur gröhlende Spanier und Franzosen. So eine verbogene Tür bietet leider keinen übermäßig guten Schallschutz.
Wo ich schon bei kulinarischen Köstlichkeiten bin... nicht nur in der Hauptstadt Lettlands, auch in schwedischen Studentenwohnheimen wird bisweilen zauberhaftes kredenzt. So hatte ich das große Glück, zum Essen bei einem ungarischen Mitstudenten eingeladen worden zu sein. Und meine Güte, der Mann kann kochen! Die Bohnensuppe nach Familienrezept, garniert mit der ungarischen Version einer Schweinshaxe, gehört jedenfalls eindeutig zum Besten, was während meiner Zeit hier in Stockholm meinen Gaumen erfreuen durfte. Und auch der selbstgebrannte Pflaumenschnaps, der zu einem solchen Essen offenbar dazugehört, wusste zu überzeugen.
Als ich nach diesem kulinarischen Erlebnis und einem darauf folgenden Treffen mit einer münsteraner Kommilitonin aus Lund zu meinem Wohnheim zurückkehrte, erwartete mich eine weitere Überraschung in Gestalt meines türkischen Flurgenossen:
Keine Angst, der Gute läuft nicht immer so rum, sondern passte seine Kleidung der 2 Stockwerke über uns stattfindenden Sommerparty an, der ich mich dann auch noch für ein paar Stunden anschloß.
Dürfen es noch ein paar Fotos sein? Bei herrlichstem Sonnenschein schrie Schloss Drottningholm, der Sitz der schwedischen Königsfamilie, förmlich danach, besichtigt zu werden. Einfach hier <- klicken.
Noch ein bisschen schwedischer Alltag gefällig? In meinem letzten Eintrag habe ich ja von meinem jugendlichen Leichtsinn getrieben versprochen, dieses Mal das modische Erscheinungsbild junger Stockholmerinnen zu beschreiben. Wahrlich, manchmal ist dies keine Freude. Kleidungsmäßig geht der Trend zu eng und kurz. Und ja, die Körperfülle scheint dabei keine Rolle zu spielen. Also egal ob kurz vor Welthungerhilfe-Werbefigur oder Fast-Food-Ketten-Stammkundin, der Rock sollte, auch bei Minusgraden, nicht länger sein als 10cm. Auch dann, wenn das zugehörige Gesäß diese Ausdehnung überschreitet. Dazu natürlich eine enge Leggings oder auch Strumpfhose, Hauptsache, das ganze beißt sich farblich. Besonders gruselig sind Leggings in Kunstleder-Optik, die auch gerne als einziges Beinkleid getragen werden. Oberteile dürfen dagegen gerne lang sein, das spart dann den Rock. Damit man trotzdem nicht mehr Stoff verbraucht, wird dafür gerne großzügig obenrum gespart. Auch wenn man es nicht glauben mag: Das ist nicht immer schön.
Sind die Leggings mal zu kurz, heißt das noch lange nicht, dass die Stiefel dementsprechend höher sein müssen. Da kann frau ruhig trotzdem Pumps oder auch Ballerinas tragen. Vom Make-Up möchte ich gar nicht erst anfangen, jedoch noch ein Zitat des guten Atze Schröder loswerden: ”Ich mag das ja manchmal so'n bisschen billig.”
Ich hör jetzt lieber auf, bevor ich den Glauben an die Menschheit verliere. Haben die Schweden eigentlich keinen Spiegel zuhause?
Zum Glück gibt es auch sehr erfreuliche Gegenbeispiele, doch leider sind diese äußerst rar gesät. Euch, liebe Leser, entlasse ich jetzt mir dieser Skizze einer leider nicht ungewöhnlichen Farbkombination:
Gehabt euch wohl!
der Michi

